Was ist überhaupt Glück?


Und wie kann man es erreichen?

 

 

 

"Blauer Schmetterling"

Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, vergehn.

(Hesse, 2000, S. 33)

Ende des 19. und im 20. Jahrhundert werden die Definitionen von Glück immer heterogener. Bei Schopenhauer gilt Glück als Schmerzlosigkeit und Abwesenheit von Langeweile. In seiner Eudämonologie heißt es in der sog. Lebensregel Nr. 32:


“Wenigstens 9/10 unsers Glücks beruhen allein auf der Gesundheit. Denn zuvörderst hängt von ihr die Heiterkeit der Stimmung ab: wo diese vorhanden ist, scheinen die ungünstigsten feindlichsten äußern Verhältnisse erträglicher, als die glücklichsten, wo Kränklichkeit verdrießlich oder ängstlich macht. Man vergleiche die Art, wie man am gesunden und heitern Tage dieselben Dinge sieht, mit der Art, wie sie an kränklichen Tagen erscheinen. Nicht was die Dinge im äußern Zusammenhang der Erfahrung wirklich sind, sondern was sie für uns in unsrer Auffassung sind, macht uns glücklich oder unglücklich. Sodann kann die Gesundheit und sie begleitende Heiterkeit alles andre ersetzen, nicht aber sie. Endlich ist ohne sie kein äußres Glück genießbar, ist also für den kranken Besitzer nicht da: mit ihr ist alles eine Quelle des Genusses: daher ist ein gesunder Bettler glücklicher als ein kranker König. – Also ist es nicht ohne Grund, dass man sich gegenseitig immer nach dem Befinden erkundigt, nicht nach andern Dingen, und sich wohl zu befinden wünscht: denn das ist 9/10 alles Glücks. – Hieraus folgt, dass es die größte aller Torheiten ist, seine Gesundheit zum Opfer zu bringen für was es auch sei, für Erwerb, für Gelehrsamkeit, für Ruhm, für Beförderung, nun gar für Wollust und flüchtige Genüsse. Vielmehr soll man alles und jedes stets ihr nachsetzen“ (Schopenhauer, 1999, S. 68).

In der Lebensregel Nr.178 heisst es:
“Weil alles Glück und aller Genuss negativer, der Schmerz aber positiver Art ist; so ist das Leben nicht da, um genossen zu werden, sondern um angetan, durchgemacht zu werden (...). Wer sein Leben ohne übergroße physische oder geistige Schmerzen durchbringt, hat das glücklichste Los gehabt, das zu finden war; nicht aber der, dem die größten Freuden und Genüsse zu Teil geworden. Wer nach diesen das Glück seines Lebenslaufes messen will, hat einen ganz falschen Maßstab: denn die Freuden sind negativ: dass sie beglücken können, ist ein Wahn, den der Neid hegt und pflegt: denn sie werden nicht positiv empfunden, wohl aber die Schmerzen: diese also sind der Maßstab des Lebensglücks, durch ihre Abwesenheit.“ (Schopenhauer, 1999, S. 51 f).

Trotz dieser Sicht der Dinge legt Schopenhauer eine weitere, doch individuell beeinflussbare Komponente, in seine Glücksdefinition: In Lebensregel Nr. 43 heißt es:
"Wen die Natur reich ausgestattet hat (...), der hat von außen nichts weiter nötig, als die freie Muße, um seinen innern Reichtum genießen zu können. Er ist, wenn ihm nur diese wird, eigentlich der Glücklichste; so gewiss das Ich uns unendlich näher liegt als das Nicht-ich: alles Äußere ist und bleibt Nicht-ich; das Innen, das Bewußtsein und sein Zustand sind allein das Ich, und in ihm liegt ganz allein unser Wohl und unser Weh." (Schopenhauer, 1999, S.87).

In Lebensregel Nr. 44 meint Schopenhauer:
"In allem und bei allem genießt man eigentlich nur sich selbst: taugt das Selbst nicht viel, so sind alle Genüsse wie köstliche Weine in einem mit Galle tingierten Munde. – Wie nun die großen Feinde des menschlichen Glücks zwei sind, Schmerz und Langeweile, so hat die Natur auch der Persönlichkeit gegen jedes von beiden ein Schutzmittel verliehen: gegen den Schmerz (der viel öfter geistig als körperlich ist) die Heiterkeit, und gegen die Langeweile den Geist." (Schopenhauer, 1999, S. 95)

und schließt mit einem an Goethe angelehnten Zitat (West-östlicher Divan, Buch Suleika, 7.Stück) “Das höchste Glück ist die Persönlichkeit“ (Schopenhauer, S.95)

Was Nietzsche unter Lebensgenuss und Glückseligkeit verstand, soll das folgende Gedichte zeigen. Pure Lebenslust versprüht das Gedicht “Unter Freunden“ (Nietzsche, 1994, Band 1,S. 606 f)
1.
Schön ist’s, miteinander schweigen,
Schöner, miteinander lachen, -
Unter seidenem Himmels-Tuche
Hingelehnt zu Moos und Buche
Lieblich laut mit Freunden lachen
Und sich weiße Zähne zeigen.

Macht’ ich’s gut, so woll’n wir schweigen;
Macht’ ich’s schlimm -, so woll’n wir lachen
Und es immer schlimmer machen,
Schlimmer machen, schlimmer lachen,
bis wir in die Grube steigen.

Freunde! Ja! So soll’s geschehn? –


Amen! Und auf Wiedersehn!

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Glücksgefühle begleiten unser Leben. Glück ist eine sehr häufig vorkommende Emotion, ein Gefühl, das uns oft berührt und seine Wirkungen zeigt. Im Roman "Theos Reise" schreibt Catherine Clement über das Yoga folgendes:
"Unsere Übungen dienen der Erkenntnis. Das Wort "Yoga" bedeutet "Joch", das ist die Stange, die zwei Pferde vor einem Wagen vereint. Der Wagen ist dein Körper, die Pferde sind deine Gefühle, der Kutscher ist dein Denken, und die Zügel sind deine Intelligenz". (Clement, 1998, S.259)

"Positive“ Emotionen, wie Freude, Glück, etc. dienen der Aufrechterhaltung von Ausdauer, dem Gewähren von Atempausen oder der Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit (Lazarus, Kanner & Folkman, 1980, zitert nach Ulich, 1995). In Verbindung mit kognitiven Einschätzungsprozessen sind Emotionen in dieser Sicht also wichtige Aktivatoren, Motivatoren und Organisatoren des Verhaltens. Die Emotion ist der innere Motivator, der eine Bereitschaft zur besseren Anpassung herstellt. Emotionen können entweder eine Signal-Funktion (z.B. bei der Angst), eine Unterbrechungsfunktion (das Richten von Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Ereignis) oder eine Bewertungsfunktion (für die Planung und Beurteilung von Handlungen) haben. Nach Kleinginna & Kleinginna (1981) kann jede Emotion jeweils nach einer subjektiven (es wird vom einzelnen Individuum erlebt, es wird gespürt, macht betroffen), einer kognitiven (beteiligt sind Prozesse der Wahrnehmung innerer Zustände und äußerer Reize, Prozesse der Bewertung, Verarbeitung, Erinnerung und der Kontrolle), einer physiologischen (mehrere, sehr spezifische physiologische Prozesse laufen gleichzeitig ab) und einer behavioral - expressiven Komponente (bestimmtes motorisches Verhalten und Ausdruckserscheinungen, wie z.B Mimik, Gestik, Stimmklang, gehen damit einher) differenziert werden.

 

Bei Frijda (1986), Oatley und Johnson (1987), und Weiner & Graham (1984) zitiert nach Ulich & Mayring, (1992), zählt Glück zu den Basisemotionen, bei Mayring (1992) ist Glück als eine von 24 Emotionen angeführt. Alle anderen  Emotionstheorien kommen ohne den Begriff “Glück“ aus bzw. definieren ihn als Mischung aus anderen Emotionen.

Autor

Basisemotionen

Arnold (1960)

Ärger, Aversion, Mut, Niedergeschlagenheit, Begierde, Verzweiflung, Furcht, Hass, Hoffnung, Liebe, Trauer

Ekman, Friesen & Ellsworth (1982)

Ärger, Ekel, Furcht, Freude, Trauer, Überraschung

Frijda (1986)

Begierde, Glück, Interesse, Überraschung, Verwunderung, Leid

Gray (1982)

Wut und Schrecken, Angst, Freude

Izard (1971)

Ärger, Verachtung, Ekel, Belastung, Furcht, Schuld, Interesse, Freude, Scham, Überraschung

James (1984)

Furcht, Trauer, Liebe, Wut

McDougall (1926)

Ärger, Ekel, Freude, Furcht, Abhängigkeit, Spannung, Verwunderung

Mowrer (1960)

Lust, Unlust

Oatley & Johnson (1987)

Ärger, Ekel, Angst, Glück, Trauer

Panksepp (1982)

Erwartung, Furcht, Ärger, Panik

Plutchik (1980)

Vertrauen, Ärger, Antizipation, Ekel, Freude, Furcht, Trauer, Überraschung

Tomkins (1984)

Ärger, Interesse, Verachtung, Ekel, Belastung, Furcht, Freude, Scham, Überraschung

Watson (1930)

Furcht, Liebe, Wut

Weiner & Graham (1984)

Glück, Trauer

Tab. 2: Unterschiedliche Konzepte von Basisemotionen (Ortony & Turner, 1990, zitiert nach Ulich & Mayring, 1992, S. 132).

Es fällt auf, dass diese Systeme zu völlig unterschiedlichen Auflistungen kommen. Es gibt keine Übereinstimmung, wie viele Basisemotionen es gibt, welche als solche bezeichnet werden können und warum diese als Basisemotionen gelten. Mayring (1992) schlägt daher eine Liste von 24 Emotionen vor, die in vier Gruppen geordnet werden kann:

Gruppe

Emotion

Zuneigungsgefühle

Liebe, Sympathie, Bindungsgefühl

 

Mitgefühl

 

Stolz, Selbstwertgefühl

 

Hoffnung, Sehnen

 

Überraschung, Schreck

Abneigungsgefühle

Ekel, Abscheu

 

Verachtung

 

Ärger, Wut, Zorn

 

Angst, Furcht

 

Hass

 

Eifersucht

 

Neid

Wohlbefindensgefühle

Lustgefühl, Genusserleben

 

Freude

 

Zufriedenheit

 

Erleichterung, Entspanntheit

 

G l ü c k

Unbehagensgefühle

Niedergeschlagenheit, Missmut

 

Trauer, Kummer, Wehmut

 

Scham

 

Schuldgefühl

 

Langeweile, Müdigkeit, Leere

 

Anspannung, Nervosität, Unruhe, Stress 

 

Einsamkeitsgefühl

Tab. 3: Gruppen von Emotionen (aus Ulich & Mayring, 1992, S. 138).

Wesentlich in der Glücksforschung ist die Unterscheidung der aktuellen Statuskomponenten von Glückserleben (state) und dem länger andauernden Lebensglück als Persönlichkeitseigenschaft (trait). Ersteres lässt sich durch spontane, extrem positive Emotionen, größte Freude, Überschwänglichkeit, Begeisterung, Entzücken, Aufgehen in der Emotion, Wachheit, Schärfung und Öffnung der Sinne, positive Sicht, selektive Wahrnehmung und Erinnerung (im positiven Sinne), Suche nach Verstärkung der positiven Emotion in der Außenwelt, gesteigertes Selbstwertgefühl, hohe Selbstzufriedenheit, positives Selbstkonzept, vorhandene soziale Aufgeschlossenheit, Freundlichkeit, Extraversion, Spontanität, schnelle Entschlossenheit, Flexibilität, sowie Produktivität und Kreativität beschreiben, letzteres als Neigung zu Glückserleben, zu einem sich immer wieder glücklich fühlen, als Überzeugung, dass man selbst das eigenen Leben als gelungen einschätzt (Mayring, 1991).


Das transaktionale Konzept lässt Glück in einer doppelten Natur erscheinen, als innerer Zustand, der aber der Hilfe von außen bedarf. Tatarkiewicz (1984) meint, wir haben es in uns, nicht aber durch uns. Wenn die innere entsprechende Haltung fehlt, hilft uns auch ein günstiges Schicksal nicht, um Glück zu erleben. Die innere Haltung aber muss auf die äußere Welt gerichtet sein, sie muss das Leben ausfüllen, andernfalls wird es arm und langweilig sein.

 

Auch Scott (1971, zitiert nach Mayring, 1991) sieht Glück eingebunden in Umweltfaktoren:

Abb. 6: Transaktionales Glückskonzept nach Scott (1971, aus Mayring 1991, S. 93).

Dieser Ansatz scheint bei Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Singen und Glücksempfinden sehr zielführend. Glück kann sich nur einstellen, wenn "die Anderen“ nicht als störend empfunden werden und die Umweltbedingungen für den Sänger optimal empfunden werden.

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"Wenn Sie glücklich sind, pulsiert das Blut etwas schneller in Ihren Adern. (...) Ihre Hauttemperatur steigt um etwa ein Zehntel Grad, weil sich die Durchblutung verbessert. Aufgrund der Erregung wird Ihre Haut etwas feuchter, der elektrische Hautwiderstand sinkt. Sogar Ihre Finger zittern jetzt anders, nicht so eckig, etwas weicher als sonst. (...) So sieht das Glück aus. Wie alle Gefühle nimmt es seinen Ausgang ebenso sehr im Körper wie im Gehirn. Denn Wohlbefinden entsteht erst dann, wenn das Gehirn die richtigen Signale von Herz, Haut, Muskeln empfängt und deutet. Ohne unseren Körper wären wir zum Glücklichsein außerstande." (Klein, 2003, S.28 f).

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, inwieweit und in welcher Weise Emotionen mit körperlichen, d.h. physiologischen und biochemischen Vorgängen verknüpft sind, also inwieweit diese den erlebnismäßigen Vorgänge vorausgehen, ihnen folgen oder sie begleiten. Die physiologischen und biochemischen Systeme, die mit dem emotionalen Geschehen verknüpft sind, sind das zentrale und periphere Nervensystem, das Hormon- sowie das Immunsystem (Erdmann, Ising & Janke, 2000). Im empirischen Teil dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern sich Singen auf das Glücksempfinden auswirkt. Hierzu werden einerseits mittels Fragebogen emotionale Befindlichkeiten abgefragt, andererseits mittels Blutabnahme "Wohlbefindensstoffe" untersucht. Ich möchte deshalb ausführlich die psychophysiologischen Aus- und Wechselwirkungen in Zusammenhang mit Glück und Wohlbefinden darlegen.


Jedes Erleben von Glück ist mit körperlichen Veränderungen, die im peripheren und zentralen Nervensystem und auch in bestimmten körperlichen Organen, z.B. Drüsen, Gefäßen, Haut, stattfinden, verbunden (Ulich & Mayring, 1992). Strittig ist bis heute, ob körperliche Prozesse Gefühlszustände auslösen oder sie begleiten (siehe vorige Abschnitte), ob ein allgemeines Ansteigen der Erregung eine kognitive Interpretation durch den Menschen erfahren muss, um zu einem Gefühl zu werden und ob Emotionen generell nur aufgrund der Rückmeldung körperlicher Veränderungen wie z.B. Zunahme der Hautfeuchtigkeit (Theorie von James und Lange) oder Veränderungen der Gesichtsmuskulatur (Theorie von Izard, 1977) zustande kommen können. Wie bereits dargelegt, interpretiert nach Schachter und Singer (1962) die Person, angeregt und gelenkt durch unterschiedliche situative Merkmale bzw. Informationen, ihre eigene physiologische Erregung und gelangt dadurch zum Erleben einer bestimmten Emotion. Nach Lazarus (1991) hängt entscheidend davon ab, welche Emotionen eine Person erlebt,  wie sie ein Ereignis bewertet, welche Bedeutung es also für sie hat, welche Information sie über das Ereignis mit welchem Ergebnis verarbeitet. Emotionale Reaktionen enthalten, neben physiologischen und motivationalen Komponenten, zu einem wesentlichen Bereich auch wertende Stellungnahmen als Produkte kognitiver Aktivitäten. Was als Glück empfunden wird, hängt also durchaus auch von der persönlichen Lebensgeschichte und der Einstellung zum Erlebten ab. (Stemmler, 2000).

Der Organismus kommuniziert mit der Umwelt über sein somatisches Nervensystem. Er empfängt Nachrichten aus ihr mit seinen sensorischen Systemen und kontrolliert seine Körperhaltungen und Bewegungen mit seinen nervösen motorischen Systemen. Die Prozesse im somatischen Nervensystem unterliegen zum Teil dem Bewusstsein und der willkürlichen Kontrolle. Wechselwirkungen bestehen in beide Richtungen. Das vegetative Nervensystem passt die Prozesse im Körperinneren bei Belastung des Organismus an. Es regelt die lebenswichtigen Funktionen des Kreislaufs, der Verdauung, der Entleerung, des Stoffwechsels, der Sekretion, der Körpertemperatur und der Fortpflanzung und unterliegt nicht der direkten willkürlichen Kontrolle. Es wird deshalb auch autonomes Nervensystem genannt. Die Wirkungen des vegetativen und des somatischen Nervensystems laufen meist gleichzeitig ab. Beide Systeme sind zentral ineinander integriert. Die Bedeutung des vegetativen Nervensystems im Verhältnis zum neuroendokrinen System, zu den sensorischen Systemen, zum  somatosensorischen System und zu den verschiedenen Hirnbereichen ist in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt:


Abb. 15: Vegetatives Nervensystem, Gehirn, Organismus (aus Schmidt, 1995, S. 153).

Im Zusammenhang mit Emotionen repräsentieren die Opioide ein neurochemisches System für Glücksgefühle. Bekannt sind Opioide wie das Beta-Endorphin, Enkephaline oder Dynorphine aber auch für ihre schmerzlindernde Wirkung. Sie beeinflussen zahlreiche Funktionen, wie die Körpertemperatur, Blutdruck, Appetit, Durst und sexuelles Verhalten (Wagner & Born, 2000). Neuronen, die Berta-Endorphin und Dynorphine synthetisieren finden sich hauptsächlich in verschiedenen Kernen des Hypothalamus, aber auch in verschiedenen limbischen Strukturen und im Hirnstamm. Beta-Endorphin wird auch im Hypophysenvorderlappen synthetisiert. Bei Stimulation durch die entprechenden hypothalamischen Releasing-Hormone wird es von dort zusammen mit Adrenocorticotropin als Hormon in die Blutbahn freigesetzt. 
Belege für eine euphorisierende Wirkung von Opioiden lassen sich unter anderem aus den zahlreichen Untersuchungen ableiten, in denen die psychischen Auswirkungen sportlicher Betätigung studiert werden. Intensive sportliche Betätigung verbessert die Stimmung und kann einen rauschähnlichen Zustand induzieren. Auf neurochemischer Ebene wurde eine Zunahme der Konzentrationen von Adrenocorticotropin, Wachstumshormon und Beta-Endorphin festgestellt. Bei Bungee-Jumpern nahm die Beta-Endorphin-Konzentration nach dem Sprung um 200% zu (Hennig, Laschefski und Opper, 1994, zitiert nach Wagner & Born, 2000). Die Zunahme korrelierte dabei signifikant mit der selbsteingeschätzten euphorischen Stimmung beim Sprungversuch.
Zu beachten ist jedoch, dass ein Ansteigen der Beta-Endorphinkonzentration im Blut "nur" als indirekter Marker einer verstärkten Aktivität zentralnervöser Opioidsysteme angesehen werden kann. Born & Fehm (1990, zitiert nach Wagner & Born, 2000) konnten zeigen, dass die bloße intravenöse Gabe von Beta-Endorphin bei gesunden Männern keine auffälligen Stimmungsveränderungen brachte. Dies könnte daran liegen, dass das Peptid nach intravenöser Gabe nur unzureichend Zugang zu den zentralnervösen Opioidrezeptoren besitzt. Für den Nachweis einer ursächlichen Beteiligung des zentralnervösen Opioidsystems an der Entstehung von Glücksgefühlen erscheint daher die Verwendung synthetischer Opiatagonisten und -antagonisten, die eine sehr gute Hirngängigkeit besitzen, geeigneter. Die Gabe von Opioid-Agonisten wie Morphin konnte nachgewiesen werden (Fingerhood, Vaupel, Lange & London, 1993, Sullivan, Testa & Jasinski, 1997, Tsueda et al, 1998, zitiert nach Wagner & Born, 2000).
Demlin (1986) und Hopson (1988), zitiert nach Mayring (1991) haben festgehalten, dass durch starke körperliche Belastung Endorphine und Katecholamine (z.B. Norandrenalin) ansteigen, Fasten die Ausschüttung von Endorphinen bewirkt, durch das Trinken großer Mengen salzarmer Flüssigkeiten und dem damit verbundenen Ausschwemmen des Natriums  Endorphine freigesetzt werden und Euphorie entsteht (da durch Natrium endorphine blockiert werden), Essen generell Endorphine freisetzt, Koffein die Katecholaminausschüttung fördert, Alkohol aufheiternd und enthemmend wirkt und Endorphine freisetzt, Kakao und Schokolade euphorisierende Substanzen enthalten, kurzfristiger Schlafentzug antidepressiv wirken kann und ein dauerhafter, guter Schlaf Serotonin produziert.
Unzählige Veränderungen im Organismus können als Reaktion auf eine Emotion auftreten: Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol, die Sekretion von Peptiden wie Beta-Endorphin oder Oxytocin, die Freisetzung von Neurotransmittern, etwa Monoaminen wie Noradrenalin, Serotonin und Dopamin. Die Ausschüttung dieser Stoffe verändert vorübergehend die Arbeitsweise vieler zerebraler Schaltkreise. Folgen davon können ein Gefühl von Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, Beschleunigung oder Verlangsamung der Denkprozesse, feuchte oder kalte Hände oder Verlangsamung bzw. Beschleunigung der Herzfrequenz sein (Damasio, 1999).


Alles in allem sprechen die vorliegenden Untersuchungsergebnisse sehr stark für die Annahme, dass das Opioid-System ein generelles neurochemisches Steuerungssystem für positive Stimmungen bzw. Glücksgefühle darstellt, über das vermutlich jede Form positiv motivierten Verhaltens eines Organismus vermittelt wird (Wagner & Born, 2000). Eine Untersuchung des New South Wales Conservatorium of Music in Sydney zeigte auch, dass eine Differenzierung der Emotionen Freude, Liebe, Wut, Hass und mit endokrinologischen Methoden möglich ist (Spintge et al. (1988), zitiert nach Spintge & Droh, 1992).

"Glück ist folglich ein Jungbrunnen für das Gehirn" schreibt Klein (2003, S. 82).
Positive Emotionen halten das Gehirn lebendig, weil sich neue Verknüpfungen leichter anbahnen, wenn reichlich Serotonin und Dopamin im Kopf zirkulieren. Das Gehirn, das aus ca. 100 Milliarden Neuronen besteht, empfängt über ein Geflecht von Ausläufern, den sogenannten Dendriten, Nervenimpulse von anderen "grauen Zellen". Diese Impulse verrechnet es in seinem Inneren und leitet das Ergebnis über seinen Ausgang, das Axon, an andere Neuronen weiter. Der Kontakt zwischen zwei Neuronen ist die Synapse. Wenn ein Nervenimpuls ankommt, werden an dieser Stelle Neurotransmitter, wie das "Lustmolekül" Dopamin ausgeschüttet. Auf der gegenüberliegenden Seite des Spalts sind Empfänger für diese Stoffe, die sogenannten Rezeptoren. Sie nehmen das chemische Signal auf und lösen einen neuen Nervenimpuls aus.
Wenn wir nun etwas lernen, formen sich die Neuronen um. Die Rechnungsvorgänge im Zellinneren und sogar die Gestalt der Neuronen können sich ändern, Axone sterben ab, Dendriten wachsen neu. Eine dauerhafte Verbindung wird von den Botenstoffen Serotonin und Dopamin, die eben auch für das Wohlbefinden und Glücksgefühl verantwortlich sind, ausgelöst. Ebenso wird Dopamin beim Erkennen von Neuem, wenn der Reiz des Unbekannten lockt und die Freude auf Neues vorhanden ist, ausgeschüttet. Lernen und die Erfahrung von Glück sind daher untrennbar miteinander verbunden (Klein, 2003).


Abb. 21: Das lernende Gehirn (aus Klein, 2003, S. 76).

Bei positiver Emotionalität, Gutgestimmtheit, Euphorie, Glücksgefühlen sowie einer Verringerung der Traurigkeit steigt, wie dargelegt wurde, der Dopaminspiegel an, steigender Serotoninspiegel bewirkt eine Verminderung der Traurigkeit und eine Zunahme an Beta-Endorphin bedingt eine Zunahme an Wohlbefinden. Die Ausschüttung von Transmitterstoffen im Gehirn beeinflusst unser Wohlbefinden. So wird Noradrenalin bei Erregung, Aufmerksamkeit und Aktivierung ausgeschüttet und bewirkt positive Emotionen. Die Ausschüttung von Dopamin erfolgt ebenfalls bei Erregung und positiver Empfindung. Endorphine und Enkephaline mindern Angst und Schmerz und wirken entspannend und euphorisierend. Serotoninausschüttung  kann eine depressive Stimmung verhindern. Eine Verringerung von Adrenalin kann als Reduzierung von Angst und Stress interpretiert werden und hat gesundheitsfördernde Effekte (Kruse, 1985).

 

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