Was ist überhaupt Glück?
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"Blauer Schmetterling" Flügelt ein kleiner blauer (Hesse, 2000, S. 33) Ende des 19. und im 20. Jahrhundert werden die Definitionen von Glück immer heterogener. Bei Schopenhauer gilt Glück als Schmerzlosigkeit und Abwesenheit von Langeweile. In seiner Eudämonologie heißt es in der sog. Lebensregel Nr. 32:
In der Lebensregel Nr.178 heisst es: Trotz dieser Sicht der Dinge legt Schopenhauer eine weitere, doch individuell beeinflussbare Komponente, in seine Glücksdefinition: In Lebensregel Nr. 43 heißt es: In Lebensregel Nr. 44 meint Schopenhauer: und schließt mit einem an Goethe angelehnten Zitat (West-östlicher Divan, Buch Suleika, 7.Stück) “Das höchste Glück ist die Persönlichkeit“ (Schopenhauer, S.95) Was Nietzsche unter Lebensgenuss und Glückseligkeit verstand, soll das folgende Gedichte zeigen. Pure Lebenslust versprüht das Gedicht “Unter Freunden“ (Nietzsche, 1994, Band 1,S. 606 f) Macht’ ich’s gut, so woll’n wir schweigen; Freunde! Ja! So soll’s geschehn? –
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Glücksgefühle begleiten unser Leben. Glück ist eine sehr häufig vorkommende Emotion, ein Gefühl, das uns oft berührt und seine Wirkungen zeigt. Im Roman "Theos Reise" schreibt Catherine Clement über das Yoga folgendes: "Positive“ Emotionen, wie Freude, Glück, etc. dienen der Aufrechterhaltung von Ausdauer, dem Gewähren von Atempausen oder der Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit (Lazarus, Kanner & Folkman, 1980, zitert nach Ulich, 1995). In Verbindung mit kognitiven Einschätzungsprozessen sind Emotionen in dieser Sicht also wichtige Aktivatoren, Motivatoren und Organisatoren des Verhaltens. Die Emotion ist der innere Motivator, der eine Bereitschaft zur besseren Anpassung herstellt. Emotionen können entweder eine Signal-Funktion (z.B. bei der Angst), eine Unterbrechungsfunktion (das Richten von Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Ereignis) oder eine Bewertungsfunktion (für die Planung und Beurteilung von Handlungen) haben. Nach Kleinginna & Kleinginna (1981) kann jede Emotion jeweils nach einer subjektiven (es wird vom einzelnen Individuum erlebt, es wird gespürt, macht betroffen), einer kognitiven (beteiligt sind Prozesse der Wahrnehmung innerer Zustände und äußerer Reize, Prozesse der Bewertung, Verarbeitung, Erinnerung und der Kontrolle), einer physiologischen (mehrere, sehr spezifische physiologische Prozesse laufen gleichzeitig ab) und einer behavioral - expressiven Komponente (bestimmtes motorisches Verhalten und Ausdruckserscheinungen, wie z.B Mimik, Gestik, Stimmklang, gehen damit einher) differenziert werden.
Bei Frijda (1986), Oatley und Johnson (1987), und Weiner & Graham (1984) zitiert nach Ulich & Mayring, (1992), zählt Glück zu den Basisemotionen, bei Mayring (1992) ist Glück als eine von 24 Emotionen angeführt. Alle anderen Emotionstheorien kommen ohne den Begriff “Glück“ aus bzw. definieren ihn als Mischung aus anderen Emotionen.
Tab. 2: Unterschiedliche Konzepte von Basisemotionen (Ortony & Turner, 1990, zitiert nach Ulich & Mayring, 1992, S. 132). Es fällt auf, dass diese Systeme zu völlig unterschiedlichen Auflistungen kommen. Es gibt keine Übereinstimmung, wie viele Basisemotionen es gibt, welche als solche bezeichnet werden können und warum diese als Basisemotionen gelten. Mayring (1992) schlägt daher eine Liste von 24 Emotionen vor, die in vier Gruppen geordnet werden kann:
Tab. 3: Gruppen von Emotionen (aus Ulich & Mayring, 1992, S. 138). Wesentlich in der Glücksforschung ist die Unterscheidung der aktuellen Statuskomponenten von Glückserleben (state) und dem länger andauernden Lebensglück als Persönlichkeitseigenschaft (trait). Ersteres lässt sich durch spontane, extrem positive Emotionen, größte Freude, Überschwänglichkeit, Begeisterung, Entzücken, Aufgehen in der Emotion, Wachheit, Schärfung und Öffnung der Sinne, positive Sicht, selektive Wahrnehmung und Erinnerung (im positiven Sinne), Suche nach Verstärkung der positiven Emotion in der Außenwelt, gesteigertes Selbstwertgefühl, hohe Selbstzufriedenheit, positives Selbstkonzept, vorhandene soziale Aufgeschlossenheit, Freundlichkeit, Extraversion, Spontanität, schnelle Entschlossenheit, Flexibilität, sowie Produktivität und Kreativität beschreiben, letzteres als Neigung zu Glückserleben, zu einem sich immer wieder glücklich fühlen, als Überzeugung, dass man selbst das eigenen Leben als gelungen einschätzt (Mayring, 1991).
Auch Scott (1971, zitiert nach Mayring, 1991) sieht Glück eingebunden in Umweltfaktoren: Abb. 6: Transaktionales Glückskonzept nach Scott (1971, aus Mayring 1991, S. 93). Dieser Ansatz scheint bei Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Singen und Glücksempfinden sehr zielführend. Glück kann sich nur einstellen, wenn "die Anderen“ nicht als störend empfunden werden und die Umweltbedingungen für den Sänger optimal empfunden werden. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
"Wenn Sie glücklich sind, pulsiert das Blut etwas schneller in Ihren Adern. (...) Ihre Hauttemperatur steigt um etwa ein Zehntel Grad, weil sich die Durchblutung verbessert. Aufgrund der Erregung wird Ihre Haut etwas feuchter, der elektrische Hautwiderstand sinkt. Sogar Ihre Finger zittern jetzt anders, nicht so eckig, etwas weicher als sonst. (...) So sieht das Glück aus. Wie alle Gefühle nimmt es seinen Ausgang ebenso sehr im Körper wie im Gehirn. Denn Wohlbefinden entsteht erst dann, wenn das Gehirn die richtigen Signale von Herz, Haut, Muskeln empfängt und deutet. Ohne unseren Körper wären wir zum Glücklichsein außerstande." (Klein, 2003, S.28 f). Seit Jahrzehnten wird diskutiert, inwieweit und in welcher Weise Emotionen mit körperlichen, d.h. physiologischen und biochemischen Vorgängen verknüpft sind, also inwieweit diese den erlebnismäßigen Vorgänge vorausgehen, ihnen folgen oder sie begleiten. Die physiologischen und biochemischen Systeme, die mit dem emotionalen Geschehen verknüpft sind, sind das zentrale und periphere Nervensystem, das Hormon- sowie das Immunsystem (Erdmann, Ising & Janke, 2000). Im empirischen Teil dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern sich Singen auf das Glücksempfinden auswirkt. Hierzu werden einerseits mittels Fragebogen emotionale Befindlichkeiten abgefragt, andererseits mittels Blutabnahme "Wohlbefindensstoffe" untersucht. Ich möchte deshalb ausführlich die psychophysiologischen Aus- und Wechselwirkungen in Zusammenhang mit Glück und Wohlbefinden darlegen. Jedes Erleben von Glück ist mit körperlichen Veränderungen, die im peripheren und zentralen Nervensystem und auch in bestimmten körperlichen Organen, z.B. Drüsen, Gefäßen, Haut, stattfinden, verbunden (Ulich & Mayring, 1992). Strittig ist bis heute, ob körperliche Prozesse Gefühlszustände auslösen oder sie begleiten (siehe vorige Abschnitte), ob ein allgemeines Ansteigen der Erregung eine kognitive Interpretation durch den Menschen erfahren muss, um zu einem Gefühl zu werden und ob Emotionen generell nur aufgrund der Rückmeldung körperlicher Veränderungen wie z.B. Zunahme der Hautfeuchtigkeit (Theorie von James und Lange) oder Veränderungen der Gesichtsmuskulatur (Theorie von Izard, 1977) zustande kommen können. Wie bereits dargelegt, interpretiert nach Schachter und Singer (1962) die Person, angeregt und gelenkt durch unterschiedliche situative Merkmale bzw. Informationen, ihre eigene physiologische Erregung und gelangt dadurch zum Erleben einer bestimmten Emotion. Nach Lazarus (1991) hängt entscheidend davon ab, welche Emotionen eine Person erlebt, wie sie ein Ereignis bewertet, welche Bedeutung es also für sie hat, welche Information sie über das Ereignis mit welchem Ergebnis verarbeitet. Emotionale Reaktionen enthalten, neben physiologischen und motivationalen Komponenten, zu einem wesentlichen Bereich auch wertende Stellungnahmen als Produkte kognitiver Aktivitäten. Was als Glück empfunden wird, hängt also durchaus auch von der persönlichen Lebensgeschichte und der Einstellung zum Erlebten ab. (Stemmler, 2000). Der Organismus kommuniziert mit der Umwelt über sein somatisches Nervensystem. Er empfängt Nachrichten aus ihr mit seinen sensorischen Systemen und kontrolliert seine Körperhaltungen und Bewegungen mit seinen nervösen motorischen Systemen. Die Prozesse im somatischen Nervensystem unterliegen zum Teil dem Bewusstsein und der willkürlichen Kontrolle. Wechselwirkungen bestehen in beide Richtungen. Das vegetative Nervensystem passt die Prozesse im Körperinneren bei Belastung des Organismus an. Es regelt die lebenswichtigen Funktionen des Kreislaufs, der Verdauung, der Entleerung, des Stoffwechsels, der Sekretion, der Körpertemperatur und der Fortpflanzung und unterliegt nicht der direkten willkürlichen Kontrolle. Es wird deshalb auch autonomes Nervensystem genannt. Die Wirkungen des vegetativen und des somatischen Nervensystems laufen meist gleichzeitig ab. Beide Systeme sind zentral ineinander integriert. Die Bedeutung des vegetativen Nervensystems im Verhältnis zum neuroendokrinen System, zu den sensorischen Systemen, zum somatosensorischen System und zu den verschiedenen Hirnbereichen ist in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt: Abb. 15: Vegetatives Nervensystem, Gehirn, Organismus (aus Schmidt, 1995, S. 153). Im Zusammenhang mit Emotionen repräsentieren die Opioide ein neurochemisches System für Glücksgefühle. Bekannt sind Opioide wie das Beta-Endorphin, Enkephaline oder Dynorphine aber auch für ihre schmerzlindernde Wirkung. Sie beeinflussen zahlreiche Funktionen, wie die Körpertemperatur, Blutdruck, Appetit, Durst und sexuelles Verhalten (Wagner & Born, 2000). Neuronen, die Berta-Endorphin und Dynorphine synthetisieren finden sich hauptsächlich in verschiedenen Kernen des Hypothalamus, aber auch in verschiedenen limbischen Strukturen und im Hirnstamm. Beta-Endorphin wird auch im Hypophysenvorderlappen synthetisiert. Bei Stimulation durch die entprechenden hypothalamischen Releasing-Hormone wird es von dort zusammen mit Adrenocorticotropin als Hormon in die Blutbahn freigesetzt. Alles in allem sprechen die vorliegenden Untersuchungsergebnisse sehr stark für die Annahme, dass das Opioid-System ein generelles neurochemisches Steuerungssystem für positive Stimmungen bzw. Glücksgefühle darstellt, über das vermutlich jede Form positiv motivierten Verhaltens eines Organismus vermittelt wird (Wagner & Born, 2000). Eine Untersuchung des New South Wales Conservatorium of Music in Sydney zeigte auch, dass eine Differenzierung der Emotionen Freude, Liebe, Wut, Hass und mit endokrinologischen Methoden möglich ist (Spintge et al. (1988), zitiert nach Spintge & Droh, 1992). "Glück ist folglich ein Jungbrunnen für das Gehirn" schreibt Klein (2003, S. 82).
Bei positiver Emotionalität, Gutgestimmtheit, Euphorie, Glücksgefühlen sowie einer Verringerung der Traurigkeit steigt, wie dargelegt wurde, der Dopaminspiegel an, steigender Serotoninspiegel bewirkt eine Verminderung der Traurigkeit und eine Zunahme an Beta-Endorphin bedingt eine Zunahme an Wohlbefinden. Die Ausschüttung von Transmitterstoffen im Gehirn beeinflusst unser Wohlbefinden. So wird Noradrenalin bei Erregung, Aufmerksamkeit und Aktivierung ausgeschüttet und bewirkt positive Emotionen. Die Ausschüttung von Dopamin erfolgt ebenfalls bei Erregung und positiver Empfindung. Endorphine und Enkephaline mindern Angst und Schmerz und wirken entspannend und euphorisierend. Serotoninausschüttung kann eine depressive Stimmung verhindern. Eine Verringerung von Adrenalin kann als Reduzierung von Angst und Stress interpretiert werden und hat gesundheitsfördernde Effekte (Kruse, 1985).
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