Positive Emotionen

müssen nicht untrennbar mit Musizieren und Singen verbunden sein.

Kann man glücklich singen?

Wann kann man von glücklichem und gesundem Singen sprechen?

 

 

 

 

Abb. 22: Glücklich ist, wer vergisst (Die Fledermaus von Johann Strauß) (aus Cranz, undat., S. 27).

 "Wenn man sich mit der menschlichen Stimme beschäftigt, erkennt man sie als wesentlichsten Teil der leibseelischen Einheit: Mensch. Erst durch seine Stimme wird er zum Menschen. Sprechend bewältigt er seine Umwelt, sagt sich selbst aus, bestätigt sich durch Sprache und Gesang in Freud und Leid. Sprechend baut er seine Kultur. Kultur aber ist sichtbar gewordene Erkenntnis. Somit sind Sprache und Gesang nicht nur ein kostbares Geschenk, sondern ein Auftrag an den Menschen".

Mit diesen Worten beginnt Anneliese Riesch (Riesch, 1972, S. 9) die Einführung in ihre Stimmbildungslehre. Für mich liegt viel Psychologisches in diesen Worten, ja zeigt sich eindringlich, welch wesentlichen Bestandteil die Stimme in unserem Leben hat. Riesch (1972) führt weiter aus, dass der Mensch von klein auf ein Verhältnis, einen Bezug zu seiner Stimme bekommen sollte und Körper und Geist in die richtige Haltung zu Singen und Sprechen zu einem Zeitpunkt eingewöhnt werden sollte, wenn der Körper noch im Aufbau begriffen ist, - je früher, desto besser. Doch es ist nie zu spät, eine harte und gequetschte, überlaute oder zu leise Stimme neu zu formen, Bewegung in den Organismus zu bringen.

"Denn je beherrschter und bewusster die Sprache zwischen Menschen strömt, umso größer ist ihr gestaltender Einfluss. Je freier und schöner die Singstimme klingt, umso mehr nimmt sie die Zuhörer ein. Also gilt es, alles zu beseitigen, was diesem Fluss im Wege steht, alles zu fördern, was diesem Strömen dient." (Riesch, 1972, S.11).

"Stimmbilden ist Re-generieren, ist die Zurückbringung des sängerischen Organes in seinen naturgewollten Zustand, Ausheilung des phonasthenischen Gepräges, also eigentlich: Verarztung. Stimmbilden als solches (...) ist mehr Therapie als etwas anderes"
schreiben Frederick Husler und Yvonne Rodd-Marling in ihrem Buch "Singen" (Husler & Rodd-Marling, 1965, S. 16). Also ein klarer Bezug zur Gesundheit. Singen ist gesund. Gesundes Singen zumindest.

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Der gesamte Rachen erstreckt sich als schlauchartiges Gebilde aus Bindegewebe, Muskulatur und Schleimhaut von der Schädelbasis bis zum Eingang der Speiseröhre. Die Mundhöhle ist der am meisten veränderliche und damit für die Lautbildung wichtigste Bereich. Bis auf den harten Gaumen, der die Mundhöhle nach oben gegen die Nase abgrenzt, sind alle seine Wände beweglich. Der weiche Gaumen oder das Gaumensegel setzt die obere Begrenzung der Mundhöhle nach hinten fort. Durch ein komplexes Muskelsystem lässt sich das Gaumensegel heben und spannen. Gleichzeitig ist das Gaumensegel über Muskelzüge mit der Zungenwurzel verbunden. Der muskuläre Mundboden, zwischen den beiden Ästen des Unterkiefers ausgespannt, ist ebenfalls eng mit der Zungenmuskulatur verbunden. Die daraus folgenden unterschiedlichen Gestaltungen des Mundhohlraumes bilden die Grundlage für die Erzeugung der verschiedenen Vokale. Muskelzüge, die unter Einbeziehung des Zungenbeins zum Aufhängesystems des Kehlkopfes führen, sind bei der Stimmproduktion ebenfalls beteiligt (Seidner & Wendler, 1997).

Abb. 30: Mundhöhle und Schlundenge (aus Seidner & Wendler, 1997, S. 111).

 

Zungenlage und Zungenaktivität bzw. besser -inaktivität wirken sich auf eine "gesunde" Stimmgebung und eine angenehme Klangbildung aus. Die Lockerung des Kiefers und das Öffnen der Kiefer von den Schläfen aus und die damit verbundene Lockerheit der Zungenwurzel sind eminent wichtig für eine lebendige Stimme (Riesch, 1972).
Lippen und Wangen, die die Mundhöhle vorn und an den Seiten begrenzen, gehören zum System der Gesichtsmuskulatur. Eine entspannte Gesichtsmuskulatur ist ebenfalls der Tonproduktion förderlich. Das Unterkiefer, das von sehr kraftvollen Muskeln gehalten wird, bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Artikulation. Ein gespanntes oder festes Unterkiefer ist jedoch jeder stimmlich guten Tonproduktion hinderlich, weswegen darauf geachtet werden sollte, dass das unbeteiligtes Unterkiefer möglichst unbeteiligt ist.
In einem Sagittalschnitt kann das Stimmorgan folgendermaßen dargestellt werden:

Abb. 31: Schematische Darstellung des Stimmorgans anhand eines Sagittalschnitts in der Mittellinie (aus Sundberg, 1997, S. 16).

 

Für eine gute Stimmbildung brauchen wir eben das Lockern des Unterkiefers im sogenannten "Scharnier" vor den Ohren, sowie das Lockern des Zungenmuskels in seiner Wurzel und Spitze. Alle diese Lockerungen haben das Ziel, sich in eine Gelassenheit fallen zu lassen und alle damit frei werdenden Kräfte zu sammeln und auszubalancieren (Riesch, 1972). Viele Sorgen des Lebens, Aufgaben, die man "mit aller Kraft" zu bewältigen hat, Ziele, die man "verbissen" erreichen will, manifestieren sich in einem festen Kiefer. "Verbissen durchs Leben gehen" – dieser Spruch weist sehr stark auf diesen Zusammenhang hin. Und eindrucksvoll zeigen Zirkus-Artisten, wenn sie sich mit ihrem Kiefer am Seil festhalten und durch den Saal schaukeln, welche Kraft unser Kiefer hat. Beim Singen gilt es, diese Möglichkeiten "auszuschalten" und ein völlig lockeres, "unbeteiligtes" Kiefer mit einer teilnahmslos darin "baumelnden" Zunge herzustellen. Nur dann kann das für glückliches Singen so wesentliche Strömen und Fließen stattfinden. In der folgenden Abbildung sind 5 Resonanzräume, die durch den Ansatz des Tones am jeweiligen Ort geweckt werden, dargestellt (Husler & Rodd-Marling, 1965).

Abb. 32: Die unter Sängern üblichen Ansatz-Typen (Husler & Rodd-Marling, 1965, S. 100).
Besonders empfehle ich, den Ton im Nacken anzusetzen (in der Abbildung bezeichnet mit der Ziffer 6), also eigentlich tief hinten im Hals. Dadurch wird der Kehlkopf nach unten-rückwärts in Richtung der Speiseröhre verankert, und zwar durch den Muskel mit dem Namen Crico-pharyngeus, dem sogenannten Kehlsenker. Durch die Wirkung dieses Muskels erfahren die Stimmfalten die stärkste Dehnung, die größtmögliche Straffung, was wiederum unerlässlich für die Entstehung der Klangschönheit, der Tragfähigkeit und der Fülle einer Gesangsstimme ist. Doch sollte dieser Ansatz nicht ausschließlich gewählt werden, da dadurch die Stimme "halsig" sein kann (Husler & Rodd-Marling, 1965). Ein ausschließliches Singen in dieser Art würde vor allem zu einer Erschlaffung der inneren Stimmfaltenmuskeln führen. Da ist der einzelne Sänger, die einzelne Sängerin gefordert, auf ihren Körper zu hören, für die notwendige "Abwechslung", vielleicht auch durch unterschiedliche Literatur und Stilrichtungen, zu sorgen, und dadurch automatisch die verschiedenen Ansatzräume zu "pflegen", um dann wiederum zum "Nackenansatz" zurückzukehren. 
Nach Riesch (1972) hat auch jeder Konsonant einen speziellen Ansatzpunkt im Kiefer- und Nasen-Rachenraum. Zumindest wird empfohlen, sich die Produktion des Konsonanten an einer ganz speziellen Stelle vorzustellen. Der so produzierte Konsonant wird auf den strömenden Atem, also auf den strömenden und mit dem Vokal klingenden Ton "draufgesetzt", also der "Strom" nicht unterbrochen, sondern einfach "mitgeschickt". In der folgenden Abbildung sind die Vorstellungspunkte der Konsonanten übersichtlich dargestellt.

Abb. 33: Konsonantenführung (aus Riesch, 1972, S. 55).

Auch die Vokale, auf denen die Konsonanten "schwimmen", haben ihren Vorstellungspunkt am oberen Gaumen bzw. vor der Nase und den Augen. Die verschiedenen Vokale werden nicht durch starke Veränderung der Lippen, Kiefer und Zunge erreicht, sondern durch ein "Verschieben" des Schwingungspunktes am oberen Gaumen. Dies kann anschaulich in folgender Abbildung erkannt werden:


Abb. 34: Kleiner Sprachraum (aus Riesch, 1972, S. 70).

Ein sehr schönes Bild liefert Riesch (1972) mit der folgenden Abbildung "Barrieren abwärts und Tonverstrebung": Die Schwingungsbögen mit den dazugehörigen Pfeilen zeigen eindrucksvoll, wie die richtige, angenehme Vorstellung des klingenden Tones, des Atemstroms während des Singens erfolgen soll. Ich zitiere aus einer Übung, in der eine Quartenübung auf die Silbe "blang" gesungen werden soll (Riesch, 1972, S. 73 f):
"Das Scharnier wird ausgehängt und nach vorne gelegt. Das –ng- darf nur ganz kurz angedeutet werden. Das –bl- darf nicht in der Tonhöhe gesprochen werden! Der Ton folgt erst anschließend! Gehalten wird der Ton, indem man sich von seinem Kern her spinnwebfeine Fäden auf den Resonanzboden denkt und ihn so verstrebt. Von den tiefen Tönen her bis ungefähr –g'- sind oberer Gaumen und Backenknochen solche Verstrebungs- und Abstützpunkte. Ab –a' – greift man dabei zu Stirne und Schläfen. Zirka ab – f'' – verstrebt man immer weiter am Boden der Hirnschale entlang nach rückwärts, wobei sich der Vokalklang für das eigene Ohr ändert. Er kann dann gläsern, u.U. auch blechern klingen. Man lasse sich dadurch nicht täuschen oder beirren. Der Ton ist frei und gut! Gehen wir die Tonskala zurück,müssen wir den Ton nach der Höhe "höher" denken und ihn über den obersten Ton hinweg nach vorne führen, sonst verliert er seine Oberschwingungen. Und so wird jeder Ton abwärts über den vorhergehenden höheren Ton geführt (s. Zeichnung)."

Abb. 35: Barrieren abwärts und Tonverstrebung (aus Riesch, 1972, S. 74).

Um nochmals zu zeigen, wie sehr es auf die Körpervorstellung beim Singen ankommt und wie wenig auf den Stimmlippen- und Kehlkopfapparat, der in Folge beschrieben wird, seien noch einige Abbildungen aus Rieschs Stimmbildungs-Buch gezeigt. Sie schreibt, dass der Sitz der Töne in Distanz zum Körper zu halten ist, damit diese die nötige Freiheit bekommen, ihre Grundschwingung und ihre Oberschwingung entfalten können.


Abb. 36: Tonführung im "Blick" (aus Riesch, 1972, S. 100)

Der Fluss des Atems und der Energie ist in folgender Abbildung deutlich dargestellt. Die Kleinen Pfeile bedeuten die "Fließrichtung" des Atems und der Energie, die großen Pfeile zeigen die Richtung der Abstützung und der Weithaltung.

Abb. 37:  Gegenströmung von Zentrifugal- und Zentrepetalkraft (Riesch, 1972, S. 49)

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"Das Gehirn singt mit", schreibt Spitzer (2002, S.278) und meint damit, dass beim Singen eine ganze Reihe kortikaler Zentren beteiligt ist. "Klangwelten" entstehen im Kopf.

Abb. 58:  Klangwelten im Kopf (aus Bethge, 2003, S. 55).


Abb. 59: Großhirnrinde (von rechts betrachtet) – Platz für Töne (aus Spitzer, 2002, S. 209).

 

Musikbezogene Informationen sind in sehr vielen unterschiedlichen Arealen des Gehirns gespeichert. Fast könnte man sagen, dass Musik vom ganzen Gehirn gemacht und verarbeitet wird. Musik beschränkt sich nicht nur auf die Wahrnehmung des Gehörten, sie bewirkt auch Aktivitäten, wie z.B. Reaktionen motorischer, emotionaler oder kognitiver Natur (Tramo, 2001, zitiert nach Spitzer, 2002).

Abb. 60: Das Gehirn beim Musizieren. Dargestellt sind diejenigen Bereiche, deren Aktivität bei bestimmten Tätigkeiten des Musizierens aktiviert sind (aus Spitzer, 2002, S. 310).

Speziell die menschliche Stimme wird im Bereich der oberen Temporalwindung (gyrus temporalis superior) verarbeitet. In der folgenden Darstellung sind die kortikalen Areale zur Verarbeitung der menschlichen Stimme dunkelgrau markiert.

Abb. 61: Kortikale Areale zur Verarbeitung der menschlichen Stimme. Großhirnrinde von rechts betrachtet (aus Spitzer, 2002, S. 192).
Singen kann daher auch zu Veränderungen im Gehirn führen. Neuere Studien zur Plastizität haben gezeigt, dass sich ganze Strukturen im Gehirn verändern, wenn es dauerhaft und intensiv mit Musik konfrontiert wird, so z.B. das Corpus callosum. Dieses ist bei Profimusikern um bis zu 15 Prozent dicker als bei Nichtmusikern. Und die Hörrinde enthält 130 Prozent mehr graue Masse. (Bethge, 2003). Auch Tomatis (1987) beschreibt, dass durch Stimulation des Ohres mit hohen Tönen eine Belebung der kortikalen Tätigkeit erfolgt, also Effekte wie geistige Wachheit, Vitalität, Kreativität, Denkfähigkeit, erhöhte Willenskraft, etc. auftreten. Das Ohr ist zu ca. 90 % an der Energiezufuhr zur Hirnrinde beteiligt, und dies fast ausschließlich durch den Empfang hoher Frequenzen. Dieser Vorgang wird von Tomatis als Aufladung bezeichnet.

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Jeder „Stimmträger“ ist nach Seidner & Wendler (1997) zugleich ein Stimmungsträger. Jede stimmliche Äußerung drückt stets auch eine Stimmung aus, insbesondere und noch verstärkt – im Vergleich zum Sprechen - das Singen. Singen ist an die grundlegenden psychischen Vorgänge wie Aufmerksamkeit, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedächtnisleistungen, Einbildungskraft, Denkvermögen, Emotionen, Persönlichkeits-struktur, soziokulturelles Umfeld etc. eng gebunden. Jeder dieser Aspekte wirkt sich auf die Art der Stimmproduktion und damit auf den Stimmklang aus. Jedes Singen hat auch einen Mitteilungscharakter. Sängerische Fähigkeiten stützen sich auf bestimmte natürliche Anlagen und entwickeln sich im Laufe eines Lebens in ständiger Wechselwirkung mit der Umwelt und der eigenen Persönlichkeit. Für die Entwicklung solcher spezifischer Fertigkeiten sind nicht nur die Leistungen des Hörorganes von besonderer Bedeutung, sondern auch die Ausprägungen von Bewegungsempfindungen und Gedächtnisleistungen, das akustische, optische, motorische und emotionale Vorstellungsvermögen, spezielle motorische Fähigkeiten sowie Kraft und Ausdauer von Nöten. Künstler sind also gezwungen, stets sehr schnell die Aufmerksamkeit auf jene Teilkomponente zu richten, die im Augenblick für die Realisierung der musikalischen Aufgabe am wichtigsten erscheint. Auf der Bühne, insbesondere der Opernbühne, darf nicht auf die eigene Stimmtechnik „vergessen“ werden, obwohl ein Teil der Aufmerksamkeit auf die Gestaltung der „Rolle“, in die der Interpret schlüpft, gewendet wird. Die Ausdrucksmittel müssen bewusst eingesetzt werden, um starke, emotionale Wirkung beim Publikum zu erreichen (Seidner & Wendler, 1997).

 

Abb. 62: Der Unterschied zwischen Emotionen innen und Emotionen außen (aus Schiepek, 1991, S. 284).

Das emotionale Befinden eines Sängers oder Sprechers hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Art und Weise, wie die Stimme benutzt wird. Eine Textpassage kann mit einer Vielzahl von Ausdrucksmöglichkeiten interpretiert werden, die unter anderem vom seelischen Zustand des Sprechers bzw. Sängers abhängen. Die Unterschiede werden im Tonhöhenverlauf, der Dauer der einzelnen Silben und an anderen Aspekten des Sprechens sichtbar. Der Einfluss des seelischen Befindens auf die Stimme kann Probleme hervorrufen, insbesondere beeinflusst Stress die Sprechstimme in typischer Weise, manchmal in einem Ausmaß, dass daraus gravierende Stimmprobleme resultieren (Sundberg, 1997). Beim Sänger potenziert sich der Einfluss des emotionalen Befindens, da dieser eine festgelegte Tonhöhenkurve singen muss und einen zugrundeliegenden Text zu vermitteln hat. Probleme, falls die zu darbietenden Stücke nicht dem emotionalen Befinden des Sängers entsprechen, scheinen naheliegend. Williams und Stevens (1972, zitiert nach Sundberg, 1997) konnten in einer Studie, bei der ein kurzer Text, der verschiedene emotionale Zustände enthielt, von Schauspielern gesprochen wurde, zeigen, dass bei der Emotion "Furcht" die Phonationsfrequenz tiefer liegt als im "Neutralzustand" und ihr Kurvenverlauf plötzlich Gipfel und Irregularitäten enthält, bei "Kummer" finden sich Unregelmäßigkeiten in Form von Heiserkeitsspuren in der Stimme. Die Phonationsfrequenz fällt zumeist monoton zum Ende der Phrase hin ab und zeigt manchmal Anzeichen von Tremor.
Ich möchte darauf hinweisen, dass Sängerinnen und Sänger ebensolchen textlichen Inhalten und den damit verbundenen Emotionen bei der Interpretation eines Werkes "ausgeliefert" sind und eine Beeinflussung des Interpreten durchaus auch von dieser Seite stattfindet. Auch hier wäre auf ein "Zusammenpassen" des emotionalen Zustands des Interpreten mit dem Werkinhalt zu achten, um glückliches Singen zu ermöglichen.
Kotlyar und Morozov (1976, zitiert nach Sundberg, 1997) zeigten in einer Untersuchung zum emotional intendierten Singen, in der Berufssänger bestimmte Lieder und Arien mehrfach singen mussten und die Aufgabe der Sänger darin bestand, verschiedene Stimmungen auszudrücken, dass Unterschiede im Schallpegel, in der Einsatz- und Absatzdauer, in der Silbendauer und im Pausenanteil je nach Emotion (Freude/Glück (F), Kummer (K), Neutralzustand (N), Wut (W), Furcht (F) vorhanden sind. In den nun folgenden Diagrammen werden die Auswirkungen der emotionalen Zustände auf Schallpegel, Einsatz- und Absatzdauer, Silbendauer und Pausenanteil dargestellt. Die Zeit für den Stimmeinsatz ist mit schraffierten, die Zeit für den Stimmabsatz mit leeren Säulen gekennzeichnet. Die Rechtecke verdeutlichen die Streubreite der Messwerte.


Abb. 63: Mittelwerte für die Abhängigkeit einiger akustischer Parameter von verschiedenen emotionalen Zuständen, die von Berufssängern gesanglich ausgedrückt worden waren (aus Sundberg, 1997, S.207 nach Kotlyar und Morozov, 1976).

Die Autoren versuchten außerdem herauszufinden, wieviel von den in den obengenannten Gesangsproben verschlüsselten Gefühlen man identifizieren könne. Sie gaben Probanden ein elektronisch erzeugtes Signal zu hören, dessen zeitabhängige Charakteristika (Tonhöhe, Lautstärke, Stimmeinsatz, etc.) so variiert wurden, das sie den in verschiedenen Gesangsproben ermittelten Veränderungen entsprachen. Die Signale bestanden aus einem einfachen Ton unterschiedlicher Höhe und Lautstärke ohne Vokalcharakteristika. Die Aufgabe für die Hörer bestand darin, nach Möglichkeit die den Signalen zugrundeliegende emotionale Stimmung herauszufinden. Die Hörer konnten die Stimuli recht gut zuordnen, nur bei der Emotion Freude gab es Schwierigkeiten. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die untersuchten zeitlichen Veränderungen zwar typisch für die einzelnen Stimmungen sind, jedoch das Gefühl der Freude sichtlich nicht nur durch die Parameter Silbenlänge, Pausendauer, Stimmstärke sowie Stimmeinsatzlänge und Stimmabsatzlänge ausgedrückt wird. Glückliches und freudiges Singen ist eben mehr.


Abb. 64: Äußere und innere Einflüsse beim Singen (aus Seidner & Wendler, 1997, S. 239).
Sind die Einflüsse auf den Sänger und damit auf die Singstimme nicht förderlicher Natur, kann es zu einer Fülle von Beschwerden kommen, z.B. durch unzureichende Motivation für bestimmte Aufgaben, übergroße Lebhaftigkeit, allgemeine Leistungsschwäche, Überforderung durch anstrengende Probenarbeit oder zahlreiche Vorstellungen, zu wenige und zu kurze Ruhe- und Regenerationsphasen, kurze, mangelhafte oder falsche Ausbildung mit stimmtechnischen Defiziten, falsche Klassifizierung von Stimmgattungen, häufiges Singen in (zu) hoher Lage, Forcieren durch zu starke dramatische Akzente, muskuläre Überfunktionen durch Kompensations-versuche der stimmlichen Leistungsschwäche, die sich vor allem in Verspannungen im Halsbereich oder in unwillkürlichen mimischen, gestischen, körperlichen Mitbewegungen während des Singens äußern. Die Stimme spricht nicht leicht genug an, der weiche Stimmeinsatz bereitet Mühe oder gelingt überhaupt nicht, das Pianosingen ist gestört, die Töne brechen ab, wenn leise gesungen wird, die Modulationsfähigkeit der Stimme ist beeinträchtigt, es kommt zu Stimmklangveränderungen oder zu einer hauchigen und belegten Stimme, die Intonation wird unsauber, der Tonhöhenumfang wird eingeengt, besonders in der Tiefe, die Höhe und das Forte werden nur durch gesteigerten Kraftaufwand erreicht, im Hals entstehen unangenehme Empfindungen, die Stimme ermüdet rasch und das Singen strengt an und bereitet Unlust (Seidner & Wendler, 1997). Von einem „glücklichen Singen“ kann in solchen Fällen nicht mehr gesprochen werden.

 

 

 

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